Vortrag auf der DGfE-Fachtagung „Universität 4.0“

Anlässlich der DGfE-Fachtagung zum Thema „Universität 4.0“ ist das gesamte You(r) Study-Team nach Berlin gereist, um erste Ergebnisse aus dem Forschungsverbundprojekt zu präsentieren. Angesiedelt war der Vortrag im Track zu „Innovation und Kreativität durch neue Medien?“, moderiert von Claudia de Witt. Nach einer kurzen Einordnung des Projekts vor dem Hintergrund zentraler Konzepte (z.B. Eigensinn in Anlehnung an Rhein (2015)) und Annahmen (z.B. Studium als soziale Praxis) haben wir das Forschungsdesign vorgestellt. Fokussiert haben wir uns insbesondere auf die Schritte eins und zwei des Forschungsdesigns, da hier erste Befunde vorliegen bzw. Einblick in Methoden/Instrumente möglich ist.

Für viele interessant waren sicherlich die Ergebnisse aus den systematischen Reviews (vgl. z.B. Gough, Oliver & Thomas, 2012), die wir im Sinne von Vorstudien gleich zu Beginn der Forschungstätigkeit vorgenommen haben. Kernergebnisse – geordnet nach drei Inhaltsbereichen – sind:

  1. Systematisches Review von Studien (i.w.S.) zu digitalen Lern- und Hochschulinfrastrukturen vor dem Hintergrund von drei theoretischen Bezugsbereichen (Medien, Lernen/Bildung, Raum; Pensel & Hofhues, im Erscheinen)
    1. Verhältnis von Ziel- und Implementierungsstrategien
      Herausfordernd ist an Hochschulen, dass Ziel- in Implementierungsstrategien und Maßnahmen münden. Diese „Übersetzungsleistung“ soll gewährleisten, dass Veränderungen nachhaltig angestoßen werden können.
    2. Vorbestimmte Handlungslogiken/-praktiken
      Digitale Lerninfrastrukturen basieren auf Vorstellungen zu Studier-, Lehr- und Lernpraktiken sowie auf akteurbezogenen Annahmen zu Rollenbildern und Einstellungen. Sie werden technisch in bestimmte Handlungsmöglichkeiten überführt.
    3. Fokus auf den digitalen Raum
      Die Forschungsarbeiten beschränken sich vorwiegend auf digitale Medien, ohne dieses Medienverständnis zu hinterfragen. Nur wenige Texte verbinden „analoge“ und „digitale“ Raumkonzepte und fragen etwa nach universitären Zwischenräumen.
  1. Systematisches Review (inter-)nationaler Mediennutzungsstudien anhand der funktionalen, prozessualen und strukturellen Perspektive der Mediennutzung (Schweiger, 2007; Steffens, Schmitt & Aßmann, im Erscheinen)
    • Breite Geräteausstattung, wobei mobile Endgeräte häufig genutzt werden
    • Verstärkung der „Technology identity“ (Smith & Borreson Caruso, 2010, S. 41) durch das Studium
    • Mediennutzertypologien: heterogenes Bild der Studierendenschaft mit großen Nutzergruppen zwischen Medienaffinität und Medienskepsis
    • Medienhandeln mit mobilen Endgeräten vermehrt in informellen Zusammenhängen
    • Soziale Medien tragen u.a. zur Etablierung, Festigung und Aufrechterhaltung sozialer Kontakte in akademischen Kontexten bei
    • Studierende haben Schwierigkeiten die Potenziale sozialer Medien für den formalen Lernprozess zu identifizieren und benötigen Anleitung
    • Vermischung formaler und informeller Kontexte des Medienhandelns kann zu Irritationen führen.
  1. Systematisches Review zur Gestaltung von Lehr-Lernarrangements mit dem Fokus auf Enkulturationsfragen (Riplinger & Schiefner-Rohs, im Erscheinen)
    1. Perspektiven Dozierender
      Ein Fokus auf mediendidaktischen, insbesondere bildungstechnologischen Perspektiven und einer damit zweckorientierten Mediennutzung (Denken in „um zu“-Kategorien) wird sichtbar. Insbesondere Aktivierung und Motivation Studierender finden sich als postulierte Ziele des Medieneinsatzes Dozierender.
    2. Gap zwischen Zielen, Gestaltung und Nutzung
      Die Ziele in der Gestaltung von Lehr-Lernarrangements unterscheiden sich von der Nutzung Studierender: Technologisch getriebene Lehr-Lernarrangements werden von Studierenden nicht zwangsläufig angenommen und genutzt. Disziplinäre Unterschiede in der Gestaltung von Lehr-Lernarrangements scheinen vorhanden, werden aber nur marginal reflektiert und untersucht.

Neben den zugespitzten Befunden aus den Reviews konnten wir zudem kurz Einblick in die anvisierte empirische Studie zur medialen Selbstwirksamkeit von Studierenden geben. Diese greift nicht nur das psychologische Konzept der Selbstwirksamkeit auf und verbindet diese mit einschlägigen Befunden zur Mediennutzung Studierender. Darüber hinaus werden auch Informationen zum Studium, der universitäre Kontext und Studienleistungen, die Mediennutzung im Studium sowie der persönliche bzw. familiäre Hintergrund erfasst.

Entsprechend unterschiedlich sind auch die nächsten Projektschritte bei You(r) Study einzuordnen: Es geht im Folgenden darum, die theoretischen Vorannahmen zu schärfen und hinsichtlich ihrer Vielfalt zu ordnen. Darüber hinaus gilt es eine Vielzahl weiterer Methodenentscheidungen zu treffen, um hiermit unsere You(r) Study-Labs im Konkreten auszugestalten. Die obigen Befunde bzgl. des Medienhandelns Studierender sind dafür nicht nur interessant, sondern in Teilen auch richtungsweisend, denn:

In allen betrachteten Publikationen kann man methodische Verengungen feststellen, die sich angesichts der zugrundeliegenden Fragestellungen nicht unbedingt erklären. Darüber hinaus werden Medien in den letzten beiden Jahrzehnten als digitale Medien verstanden und ein technisch-instrumenteller Medienbegriff herrscht vor. Nicht zuletzt werden die Studierenden mit ihren Lebenswelten kaum einbezogen.

Zur Tagung allgemein gibt es neben dem, zugegeben etwas verkapptem, Twitter-Hashtag #uni4, lesenswerte, durchaus kritische Reflexionen von Christopher Könitz, Markus Deimann sowie Gabi Reinmann.

Literatur:

Gough, D., Oliver, S. & Thomas, J. (2012). Introducing systematic reviews. In D. Gough, S. Oliver & J. Thomas (Hrsg.), An Introduction to Systematic Reviews (S. 1-16). Los Angeles et al.: Sage.

Pensel, Sabrina & Hofhues, Sandra (2017). Digitale Lerninfrastrukturen an Hochschulen. Systematisches Review zu den Rahmenbedingungen für das Lehren und Lernen mit Medien an deutschen Hochschulen. Online verfügbar unter: https://your-study.info/wp-content/uploads/2017/11/Review_Pensel_Hofhues.pdf (15.11.2017).

Rhein, R. (2015). Hochschulisches Lernen – eine analytische Perspektive. Zeitschrift für Weiterbildung, 38(3), 347–363.

Riplinger, T. & Schiefner-Rohs, M. (2017). Medieneinsatz in der Hochschullehre. Akademische Lehr-Lernkonzepte zwischen Zumutung und Zu-Mutung. Online verfügbar unter: https://your-study.info/wp-content/uploads/2017/11/Review_Riplinger_Schiefner_Rohs.pdf (15.11.2017).

Schweiger, W. (2007). Theorien der Mediennutzung. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Smith, S. D., & Borreson Caruso, J. (2010). The ECAR Study of Undergraduate Students and Information Technology. Online verfügbar unter: https://net.edu-cause.edu/ir/library/pdf/ekf/ekf1006.pdf (29.07.2017).

Steffens, Y., Schmitt, I. & Aßmann, S. (2017). Mediennutzung Studierender: Über den Umgang mit Medien in hochschulischen Kontexten. Systematisches Review nationaler und internationaler Studien zur Mediennutzung Studierender. Online verfügbar unter: https://your-study.info/wp-content/uploads/2017/11/Review_Steffens_Schmitt_Assmann.pdf (15.11.2017).

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