Fachtagung „Digitale Hochschulbildung“ im BMBF

Anlässlich der Fachtagung „Hochschulen im digitalen Zeitalter“ stellten alle geförderten Projekte der Förderlinie „Digitale Hochschulbildung“ ihr Forschungsprojekt innerhalb einer Postersession einem breiten Fachpublikum vor.

Schwerpunkt der Fachtagung war die Auseinandersetzung mit der Hochschulbildung und -entwicklung „im digitalen Zeitalter“. Neben den Projektbeteiligten der Förderlinie war ein breites Fachpublikum aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Politik vertreten.

In der Postersession konnten wir, Sandra Hofhues und ich (stellvertretend für alle Teilprojektleiterinnen) das Verbundprojekt vorstellen. Neben vielen Personen, die die Fokussierung auf Studierende für notwendig halten, haben wir auch einzelne mit dem methodischen Vorgehen irritiert. Wir, die wir seit Anfang April den methodischen Rahmen für das Projekt aufspannen, haben uns an die Ambivalenzen und Herausforderungen unseres Projektvorhabens bereits gewöhnt. In den Gesprächen zu unserem Poster hatten wir an manchen Stellen den Eindruck, dass methodisches Vorgehen abseits von testenden oder triangulierenden Verfahren nicht bei allen Wissenschaftler*innen Interesse wecken kann.

Worum geht es im Projekt?

Wir möchten im Forschungsprojekt You(r) Study das Handeln der Studierenden mit Medien untersuchen. Wir erhoffen uns über quantitative Erhebungen, rekonstruktive Sozialforschung, Literaturstudien und Logfile-Analysen mehr über dieses Phänomen zu erfahren. Gleichzeitig verfolgen wir den Anspruch, Studierende im Projekt wirken zu lassen und ihnen einen Raum für eigensinniges Medienhandeln zur Verfügung zu stellen. Keine erziehungs-, medien- oder sozialwissenschaftliche Methodologie oder entsprechende Methodensets geben uns dazu einen fertigen Rahmen. Und diese Herausforderung haben wir angenommen.

Bei der Fachtagung in Berlin wurden wir mit Fragen konfrontiert nach der Eingrenzung des Samples, der Fallzahl, unserem Arbeitsbegriff von Medien und der Verbindung der verschiedenen Methoden. Wir konnten nicht an allen Stellen befriedigende Antworten liefern. Nicht, weil wir keine Antworten hatten, sondern weil unser Verständnis zugunsten einer Offenheit gegenüber dem Erkenntnisgegenstand zu diesem Zeitpunkt nicht eingegrenzt werden soll. Unser zu untersuchendes Phänomen wirkt an so vielen verschiedenen Stellen so unterschiedlich. Mit einer Eingrenzung des Forschungsgebietes, der Personen oder des Handelns sehen wir eine Setzung, die mit der Gefahr einher geht das erwünschte Medienhandeln von Studierenden zu untersuchen, anstatt das unbekannte.

Einblicke in den Projekt-Workshop

Im gemeinsamen Workshop mit anderen Projekten des „Förderlinien-Clusters“ konnten sich die Forschungsprojekte untereinander austauschen und vernetzen. Die Projekte unseres Workshops vereinte sicherlich die Metasicht auf die Aktivitäten der Hochschulen im Bereich Digitalisierung sowie ein ausgeprägtes Forschungsinteresse gekoppelt an ein Gestaltungsinteresse. So erforschen andere Projekte u.a. die Nutzung und Verknüpfung von Lernangeboten durch Studierende (OpenTeach), die Gelingensbedingungen von aktivierenden Lehr-Lernsettings (ActiveLeaRn), die Erfolgsfaktoren für digitale Hochschulbildung (LearnMap) sowie die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren von Digitalisierungsprojekten (QuaSid). Die Projektverantwortlichen sind allesamt sowohl vertraut mit den gängigen Forschungsergebnissen, wie auch mit den aktuellen Praxisentwicklungen im Bereich der Digitalisierung der Hochschule. Dies sind gute Startbedingungen, da beides für die Forschungsvorhaben im Bereich digitale Hochschulbildung relevant ist.

Rückblick auf die Fachtagung

Neben den projektbezogenen Eindrücken hat die Veranstaltung auch eine Perspektive geboten, wie unsere Verbundforschung in die politischen Pläne des BMBF passt. Denn was im Arbeitsalltag des Projektes nicht greifbar ist, wurde in Berlin spürbar: Mit einer Förderlinie werden hochschulpolitische Ziele verfolgt.

In der Begrüßungsrede fasst die Staatssekretärin des BMBF, Cornelia Quennet-Thielen, die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für Hochschulen in Deutschland zusammen (die Rede kann hier nachgelesen werden). Ich möchte auf drei ihrer fünf vorgetragenen Thesen eingehen, weil sie sich mit den Grundannahmen des Projektes You(r) Study decken:

Sie vertrat erstens die Position, dass sich die Digitalisierung der Hochschulen nicht von allein aus den technischen Entwicklungen oder der neu heranwachsenden Generation von Studierenden ergibt. Die Gestaltung der Digitalisierung sei neben der Verwaltung der Digitalisierung die zentrale Aufgabe der Hochschulen.

Spannend war dann die in der zweiten These gegebene Begründung, warum sich die Hochschulen dieser Gestaltung stellen müssen:

„Digitalisierung der Hochschulen ist kein Selbstzweck. Sie muss auf eine digitale Welt vorbereiten. Sie kann die Lehre verbessern sowie Austausch und Mobilität erhöhen. [Hervorhebung durch die Verfasserin]“ (Quennet-Thielen, 03.07.17, Link)

Dies ist eine klare Positionierung zum Auftrag der Hochschulen und welche Rolle die Digitalisierung der Lehre und die Mobilität der Studierenden im Verhältnis dazu spielen.

Zudem kam sie auf die Impulse aus der Forschung für die Bewältigung der Aufgaben in der Hochschule zu sprechen. Diese seien notwendig. Damit wurde die fehlende wissenschaftliche Handlungsbasis für digitale Hochschulbildung benannt und die Notwenigkeit aufgezeigt, das praktische Handeln an der Hochschule auf Forschungsergebnisse zu bauen.

Meine Erkenntnis der Fachtagung ist – kurz gesagt – „Mut zur Kompetenzlosigkeitskompetenz“. Der Begriff „Kompetenzlosigkeitskompetenz“ stammt vom Pädagogen Paul Mecheril und wurde von ihm im Zusammenhang mit interkultureller Kompetenz geprägt. Der Begriff meint „dem Handlungsbedarf der Praxis nicht vorschnell zu erliegen“ (Mecheril 2010, 24) und Nichtwissen im wissenssoziologischen Sinne auszuhalten und anzuerkennen (ebd. 29). Denn nach Robert K. Merton braucht es zur Produktion von neuem Wissen den Moment der (An-)Erkennung von Nichtwissen. Letzteres ist in diesem Verständnis eine Vorstufe des Wissens und eine Voraussetzung wissenschaftlichen Arbeitens (Knoblauch 2014, 278f).

 

Literatur:

Mecheril, Paul, 2010: „Kompetenzlosigkeitskompetenz“. Pädagogisches Handeln unter Einwanderungsbedingungen. In: Auernheimer, Georg/Administrator (Hg.): Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität. Wiesbaden, 15–34.

Knoblauch, Hubert, 2014: Wissenssoziologie. Konstanz, Stuttgart.

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